Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!

Drei Fragen an Christoph Giesa zur Neuen Rechten
Nachricht17.03.2017
Demonstraten

Nicht nur mit rechtspopulistischen Parteien und Pegida versucht das neurechte Milieu seit einiger Zeit, die bürgerliche Mitte zu infiltrieren. Christoph Giesa hat sich lange mit dem Phänomen beschäftigt und aufgezeigt, dass es vor allem Rechtsintellektuelle sind, die über die Medien gezielt Ängste der bürgerlichen Mitte schüren, um den Zorn der Wut- und Frustbürger auf die Schwächsten zu lenken. Wir sprachen mit ihm, wie eine liberale offene Gesellschaft diesem Phänomen begegnen kann.

Christoph Giesa

Nicht wir müssen uns rechtfertigen, sondern diejenigen, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte in Frage stellen.

Christoph Giesa

Lieber Christoph Giesa, in den letzten Jahren haben Rechtspopulisten viele Wahlsiege feiern dürfen - in Deutschland z.B. durch die AfD. Was können die liberalen Verteidiger der offenen Gesellschaft diesen entgegensetzen?

Zunächst einmal würde ich davor warnen, mit dem Begriff „Rechtspopulismus“ zu agieren, weil darin immer mitschwingt, dass jemand nur Stimmungen nutzen will, es aber eigentlich nicht so meint. Menschen wie Björn Höcke, Alexander Gauland, Götz Kubitschek oder Lutz Bachmann darf man aber durchaus unterstellen, dass sie genau das meinen, was sie sagen. Der erste Fehler, den wir nicht machen dürfen, ist daher, die Propaganda der Rechtsradikalen zu übernehmen. Dazu gehören auch die Argumentations- und Sprachmuster, die seit einiger Zeit im Wandel sind – und damit unsere Mitte unbemerkt zu verschieben drohen.

Wie arbeitet die Neue Rechte? Welche konkreten Ziele verfolgen sie mit welcher Strategie?

Die Neue Rechte grenzt sich bewusst von Nazis und Neonazis ab und versucht mit einem bürgerlichen Auftreten – einem harmloseren Auftreten – Bürger für ihr menschenverachtendes Gedankengut zu gewinnen. Dieses zeichnet sich durch fünf maßgebliche Pfeiler aus, nämlich antidemokratische, antiwestliche, antiliberale, fremdenfeindliche und homophobe Positionen. Die werden auch nicht weniger problematisch, nur weil man auf die Leugnung des Holocausts verzichtet, die man von der „alten“ Rechten kennt. Das Ziel ist zunächst einmal, wie die Rechten und Linken in Weimar, die Demokratie und unser liberales, westliches Modell so lange zu verunglimpfen, bis es fällt. Um dann eine neue Gesellschaft nach den Vorstellungen der Rechtsradikalen zu bauen.

 

Wie kann jeder von uns in der Praxis damit umgehen? Gibt es allgemeine Tipps, die im Gespräch mit Personen von z.B. der Neuen Rechten oder Pegida, helfen können?

Wir müssen allgemein wieder sattelfester in politischen Diskursen werden. Und das heißt sowohl inhaltlich wie auch kommunikativ. Wer gut vorbereitet in eine Debatte geht, hat bessere Chancen zu punkten. Wichtig ist, dass man sich die Diskurshoheit nicht aus der Hand nehmen lässt. Nicht wir müssen uns rechtfertigen, sondern diejenigen, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte in Frage stellen. Nachfragen und nicht locker lassen hat sich als eine gute Strategie herausgestellt, denn: Wer fragt, führt. Ansonsten gilt es, für sich selbst Grenzen zu definieren. Man muss nicht über jede Hassexplosion auch debattieren. Alleine schon aus Selbstschutz kann es wichtig sein, Gespräche abzubrechen, wenn Linien von Anstand und demokratischem Konsens überschritten werden. Das hat mit Zensur nichts zu tun. Jeder von uns ist frei, zu bestimmen, welche Debatten er führen möchte.

Christoph Giesa

Das Problem mit AfD und Co wird nicht durch Politik und Staatsanwaltschaften zu lösen sein. Es ist die Aufgabe der liberalen Mitte, die Diskurshoheit zurückzugewinnen.

Christoph Giesa