„Eine florierende Marktwirtschaft ist auch die sozialste“

Dr. Luise Gräfin von Schlippenbach über die Werte der Erhardschen Sozialen Marktwirtschaft.
Nachricht31.08.2018Markus Adeikis
Dr. Luise Gräfin v. Schlippenbach
Dr. Luise Gräfin v. Schlippenbach und Andreas Halscheidt, Forenleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung / Thomas-Dehler-Stiftung │© Friedrich-Naumann-Stiftung

Die ereignisreiche Biographie der eingeladenen Referentin war genauso spannend wie ihr Vortrag. Dr. Luise Gräfin von Schlippenbach ist eine der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die die Ehrhardsche Soziale Marktwirtschaft mitgestaltet haben. Die derzeit 96-Jährige analysierte in ihrem Vortrag die Erfolge und Herausforderungen der damaligen Reformpolitik Ludwig Erhards. Sie war in den 40er Jahren als Refentin in seiner PR-Abteilung tätig.

Laut der ehemaligen Journalistin hat die Bundesrepublik den Wirtschaftsmaßnahmen von Ehrhard zu verdanken, dass die marktwirtschaftlich geregelte Preisbildung in Deutschland gefestigt wurde: „Vom Nazi-Regime haben wir ein nahezu sozialistisches System übernommen, in dem sämtliche Preise vom Staat festgelegt wurden. Nach dem Krieg entsprachen die sozialen Preise aber nicht mehr den Bedürfnissen der Bevölkerung, so dass niemand mehr motiviert war, etwas überhaupt zu verkaufen.“ Erst die von Erhard eingeleitete Preisfreigabe hätte laut von Schlippenbach den Handel in der Bundesrepublik angekurbelt und somit das anschließende „Wirtschaftswunder“ in Gang gesetzt.

„Schon Erhard hat damals erkannt, dass die florierende Marktwirtschaft zugleich die sozialste ist, und das hat sich im Laufe der Jahre erwiesen.“ Den absoluten Wettbewerb sieht von Schlippenbach durch die begrenzten staatlichen Rahmenbedingungen, nämlich durch die strenge Banken- und Versicherungen-Aufsicht sowie durch das Kartellgesetz, mehr als gesichert: „Weitere Staatseingriffe sind hingegen eine unnötige Bevormundung.“

Ludwig Erhards Errungenschaften in der frühen Republikphase findet die Rednerin heutzutage aktueller denn je: „Viele würden mir zustimmen, dass Ludwig Erhard nicht nur ein pragmatischer Macher, sondern auch ein Visionär war.“ Dabei betonte sie seine Abneigung gegen das umlagefinanzierte Rentensystem: „Schon damals hat er sich für die Eigenverantwortung der Bürger und die kapitalgedeckte Altersvorsorge eingesetzt sowie die staatsinterventionistischen Maßnahmen kritisiert.“

Auch das Sparverhalten des Staates kritisiert sie: „Damals betrug der Staatsetat ca. 25 Prozent des Gesamthaushalts – für Erhard war schon dieser Anteil zu groß. Was würde er zu der jetzigen Finanzsituation sagen?“

Aktuell vermisst die Referntin eine besonnene Finanzpolitik der Großen Koalition: „Wenn das aktuelle Rentensystem weiter so aufrechterhalten wird, müssen wir in absehbarer Zeit entweder mit einer immensen Steuererhöhung oder mit einer staatlichen Neuverschuldung rechnen. Beides würde die Soziale Marktwirtschaft aushöhlen.“