Gegen den Leerstand

Innenstädte brauchen mehr Aufenthaltsqualität
Nachricht18.03.2022Thomas Nagel
Innovationstreiber Innenstädte
Stadtzentren erfinden sich immer wieder neuThomas-Dehler-Stiftung

„Einfache Lösungen gibt es nicht, dazu sind die Städte zu verschieden.“ Zu diesem Ergebnis kommt Patrick Ruess, Projektleiter im Team Smart Urban Enviromentsam Fraunhofer-Institut beim Webtalk der Thomas-Dehler-Stiftung/Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Wenn es darum geht, wie Innenstädte attraktiver werden können, müsse Experimentieren ein Teil der Innenstadtentwicklung werden. Die Bürokratie dürfe hierbei keine Steine in den Weg legen. „Wir müssen mutig sein. Wenn es um das Thema genügend Raum geht, muss auch ein Basketballfeld auf dem Supermarktplatz denkbar sein.“

Sebastian Körber MdL, der Sprecher der FDP Fraktion im Bayerischen Landtag für Wohnen, Bau und Verkehr, sieht jeden Einzelnen in der Verantwortung. „Die Menschen entscheiden mit den Füßen und durch ihr Konsumverhalten. Wenn die Menschen nicht zum Bäcker, sondern in den Supermarkt gehen, müssen sie sich nicht wundern, wenn das Bäckerhandwerk in der Innenstadt ausstirbt.“ Der Wettbewerber sei längst das Internet und nicht die grüne Wiese am Stadtrand, auf der Supermarktketten bauen. Eine dynamische Stadt sei zukunftsfähig. Dabei stünden aber auch die Hauseigentümer in der Verantwortung. Die Politik könne zwar keine Mieten regulieren. Wenn aber die Aufenthaltsqualität insgesamt in der Innenstadt steige, dann könne sich auch der Hauseigentümer keinen Leerstand und keine Verwahrlosung des Eigentums mehr leisten. „Ein Cafe oder eine Kunstgalerie erzielt nicht die gleichen Mieteinnahmen wie ein Fachgeschäft, allerdings ist jede Nutzung besser als der Leerstand“, ist sich Körber sicher.

Einig waren sich Patrick Ruess und Sebastian Körber, dass Anreize für Baubesitzer geschaffen werden müssten, der Individualverkehr nicht aus der Innenstadt zu verbannen sei, ein Citymanagement unterstützen könne und ein gutes Stadtmarketing selbstverständlich sein müsse.

Laut Körber werden sich die Immobilienflächen in den Segmenten verschieben. Durch Homeoffice könnten die Büroflächen um 10 bis 25 Prozent zurückgehen, die Flächen für Kultur und Gastronomie würden stagnieren, die Handelsflächen abnehmen, der Wohnraum allerdings zunehmen. Eine große Chance sieht er in der Verbesserung der Wohnqualität in der Innenstadt, wenn die Aufenthaltsqualität durch Balkons an den Gebäuden oder Innenhöfe steigt.

Patrick Ruess wagt die Prognose: „Das Konsumverhalten hat sich durch die Corona-Pandemie rasant verändert. Die neue Routine, auch online einzukaufen, wird sich auch nach Corona nicht wieder ändern. So wie früher wird es nicht mehr sein.“

Umso wichtiger sind für Körber flexible Ladenöffnungszeiten, wie lange Donnerstage, eine Verzahnung der Mobilitätsangebote und kleine Handelsstrukturen zum Beispiel für Pop-up Stores. Langfristig können für ihn auch innovative Wohnkonzepte, wie Alters-WG, die Integration von Hochschulen im Stadtzentrum oder Start Ups die Innenstädte aufwerten.

Auf die Frage, ob die Mobilität das Konsumverhalten wird, zeigt sich Körber eher skeptisch. „In 5 bis 10 Jahren wird die Mobilität das Konsumverhalten nicht verändern. In 20 bis 25 Jahren, wenn autonomes Fahren und Flugdrohnen selbstverständlich sind, dann auf jeden Fall. Dann bestelle ich mir während der Autofahrt meinen Anzug und wenn ich am Geschäft bin, steht alles bereits parat.“

Patrick Ruess

„Einfache Lösungen gibt es nicht, dazu sind die Städte zu verschieden.“

Patrick Ruess, Projektleiter am Fraunhofer Institut
Sebastian Körber MdL

„Die Menschen entscheiden mit den Füßen und durch ihr Konsumverhalten." 

Sebastian Körber MdL