Liberales Sommergespräch im Schatten des Drachen

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit befasst sich in der diesjährigen Veranstaltung im Allgäu überwiegend mit der Handelspolitik Chinas
Nachricht25.07.2018Markas Adeikis
Thementische beim liberalen Sommergespräch
Thementische beim liberalen SommergesprächFriedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

An diesen heißen Sommertagen kann man vieles unternehmen: draußen grillen, sich die Spiele der Fußball-WM anschauen – oder eben über die Politik diskutieren. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) hat sich am Abend vom 30. Juni für das Letztere entschieden. Zahlreiche Gäste wurden zum traditionellen liberalen Sommergespräch in Kempten eingeladen, in dem sich Bürger über diverse innen- und außenpolitische Tagesthemen austauschen durften.

Im großen Tagungsraum des Allgäu ART Hotels konnten sich ca. 50 Teilnehmer einen der sieben Thementische aussuchen, um sich dort mit den an jedem Tisch platzierten Referenten sowie miteinander über freiheitliche Ideen zu unterhalten. Die Teilnehmer konnten auch Tische wechseln und somit gleich mehrere Inputs der Veranstaltung sammeln.

Wie Forenleiter und Organisator der Veranstaltung, Erhard Tröster, bei der Begrüßung betonte, wurde das Veranstaltungsformat des Roundtable dafür gewählt, um eine möglichst große Vielfalt an politischen Schwerpunkten gleichzeitig abzudecken: „Schließlich gehört das zu unserer liberalen Natur, dass wir uns freiwillig entscheiden dürfen, wie viel Zeit welchem Thema wir widmen möchten“, so Tröster.

Die neue Seidenstraße – eine Herausforderung für Europa

Die Veranstaltung wurde vom Vortrag zum Thema „Die neue Seidenstraße“ abgerundet, den Politikberater und Dozent der Hochschule Kempten, Ingmar Niemann, gehalten hat. Dabei berichtete er über die aktuelle Handelspolitik Chinas und dessen aktuelles Projekt „One Belt, One Road“, das seit 2013 zum Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen China und zahlreichen Ländern Afrikas, Asiens und Europas verwirklicht wird. Niemann wies dabei vor allem auf die umfangreichen Kapazitäten chinesischer Investitionen hin: „Mit dem Volumen von ca. 900 Milliarden Dollar gilt das als das größte Investitionsprogramm seit dem Marhall-Plan.“ Neben den offiziellen Zielen – Stabilisierung der Grenzen zu den mittelasiatischen Staaten oder Entwicklung der westlichen Regionen Chinas – verfolgt die Volksrepublik damit laut Niemann auch den latenten Plan, langfristig die Monopolstellung Chinas im Welthandel zu etablieren. Dafür bietet sich die Parallele zur antiken Seidenstraße besonders: „Wie vor mehreren Tausend Jahren verfolgt China dieselbe Strategie der geographischen Streuung, die der Volksrepublik zur größeren Vernetzung im Handel verhilft.“

Aus der Sicht von Niemann gibt es für die Europäische Union genügend Gründe, sich um diese Entwicklung Sorgen zu machen. In der Handelspolitik erfüllt China nur selten die EU-Forderungen nach transparenten Ausschreibungen und hohen Umwelt- und Sozialauflagen: „Leider entwickelte die EU bisher keine gebündelte Gegenstrategie, um diesen Prozess einzudämmen.“ Sogar umgekehrt – die Pläne der „neuen Seidenstraße“ spalten einzelne Mitgliedstaaten, denn das chinesische Investitionsprogramm richtet sich unter anderem auf die mittel- und osteuropäische EU-Staaten, die in der letzten Zeit handelspolitische Alleingänge wagen und damit die Einigkeit der EU gefährden. Daher mahnte Niemann zur stärkeren Thematisierung dieses Phänomens: „Chinas Handelsoffensive darf nicht unterschätzt werden, denn sie verschiebt die Machtverhältnisse nicht nur in Asien, sondern auch in Europa. Somit werden auch hiesige liberale Herrschaftsformen in Frage gestellt. Ob wir uns diese Entwicklung wünschen, lässt sich bezweifeln.“

Innen- und Außenpolitik à la carte

An den einzelnen Thementischen wurden sowohl innen- als auch außenpolitische Aspekte diskutiert. Neben den Problemfällen der Bürgerrechtspolitik in Bayern wurden die innovativen Ideen der liberalen Bildungs- und Gesundheitspolitik besprochen. Auch auf den aktuell akuten Pflegenotstand in der Bundesrepublik wurde eingegangen.

Der besondere Schwerpunkt wurde in diesem Jahr aber vor allem auf die außenpolitischen Themen gesetzt. Viel Aufmerksamkeit genoss der Thementisch, an dem sich Journalistin und Frankreich-Expertin Cécile Prinzbach mit Teilnehmern über die EU-Reformpolitik des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron unterhalten hat. Die Bürger haben sich für sein Erfolgsrezept in der Innenpolitik interessiert und gefragt, wie sich der französische Reformwille auch auf die Bundesrepublik übertragen lässt. Prinzbach unterstrich, dass Macrons innenpolitische Erfolge das europaweite Vertrauen in Frankreich enorm gestärkt hat, und wies auf seine EU-Reformvorschläge hin, die mehr Demokratisierung der EU-Institutionen und somit mehr gebündelte EU-Interessenvertretung nach außen fördern würden. Jedoch akzentuierte die Expertin mehrmals, dass Macrons Ideen nur Vorschläge und keine Forderungen sind: „Dem Präsidenten ist es bewusst, dass diese Pläne ohne Kooperation anderer Mitgliedstaaten, vor allem Deutschlands, zum Scheitern verurteilt sind.“ Deswegen sollte die Bundesregierung auf die proeuropäischen Visionen mit kooperativen Taten reagieren.

Auch die Regionen außerhalb Europas rückten ins Zentrum der Gespräche: FNF-Regionalbüroleiter Alexander Rieper referierte zur Islamismus-Problematik im Nahen Osten. Damit dieses „relativ moderne“ Phänomen effektiv bekämpft werden kann, müssen die Motive und Vorgehensweisen der Islamisten laut Rieper besser verstanden werden. Der studierte Orientalist betonte, dass die Islamismus-Ideologie in jetziger Form gar nicht daran interessiert ist, die tatsächlichen wirtschaftlichen und bildungstechnischen Probleme junger Muslime zu lösen: „Vielmehr wollen Islamisten jegliche bestehenden Ordnungsstrukturen zerstören, damit sich verunsicherte und enttäuschte Muslime destruktiven Fundamentalisten-Gruppen zuwenden und einen rigorosen Kampf gegen fremde Kulturen führen.“ Deswegen wäre es laut Rieper ein fataler Fehler, Muslime wegen ihrer Religion weiter zu diskriminieren, denn so werden selbst säkulare und einst weltoffene Muslime in die Arme der Radikalen getrieben.

Trotz spannender Themen fand das Liberale Sommergespräch in einer lockeren Atmosphäre statt und wurde mit einem optimistischen Gedanken abgeschlossen, dass ein intensiver Dialog zur schnelleren Problemlösung führen kann. In einem abschließenden Get-Together durften die Teilnehmer ihre weiterführenden Fragen an Referenten stellen und sich für künftige Kooperationen vernetzen.