Veysel Ok ist neuer Träger des Thomas-Dehler-Preises

Der türkische Menschenrechtsanwalt wurde geehrt für seinen Einsatz für die Menschenrechte
Nachricht15.04.2019Maik Schnierer
Verleihung des Thomas-Dehler-Preises (v.l.n.r. Hirsch, Will, Bock, Ok, Leutheuser-Schnarrenberger, Niebrügge, Hacker)
Verleihung des Thomas-Dehler-Preises (v.l.n.r. Hirsch, Will, Bock, Ok, Leutheuser-Schnarrenberger, Niebrügge, Hacker)Thomas-Dehler-Stiftung

Der türkische Menschenrechtsanwalt Veysel Ok ist Preisträger des Thomas-Dehler-Preises 2019. Am 5. April 2019 wurde der Preis feierlich vor mehr als 200 geladenen Gästen übergeben. Veysel Ok, der vielen in Deutschland als der Anwalt von Deniz Yücel bekannt ist, nahm die Ehrung im Festsaal des Künstlerhauses München entgegen. „Ich bin dankbar und freue mich, in einer Reihe mit Preisträgern zu stehen, die sich unbeirrbar ihrer Überzeugung für den Erhalt von Menschenrechten einsetzen. Das Zeichen, das mit diesem Preis von der Thomas-Dehler-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gegeben wird, ist Ansporn für den Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit“, so Veysel Ok. Musikalisch begleitet wurde die Preisverleihung durch Oscar Lange und Jacob Zimmermann.

Thomas Hacker, Präsident der Thomas-Dehler-Stiftung und Mitglied des Deutschen Bundestages, verdeutlichte in seiner Eröffnungsrede die Gemeinsamkeiten zwischen Veysel Ok und dem Namensgeber der Stiftung. „Thomas Dehler und Veysel Ok eint, dass sie als Anwälte Mitbürger gegen Unrechtsherrschaft verteidigen.“ Thomas Hacker, der sich vor Ort selbst ein Bild über türkische Gerichtsprozesse und die Arbeit Veysel Oks verschafft hat, hob hervor, dass „Veysel Ok ein großer Kämpfer für die Menschenrechte in der Türkei ist. Kürzlich habe ich erlebt, mit welchem Einsatz, welcher Leidenschaft und welcher Furchtlosigkeit er seine Mandanten vor Gericht vertritt. Wir sind stolz, ihm den Thomas-Dehler-Preis zu verleihen.“

Thomas Hacker, Präsident der Thomas-Dehler-Stiftung
Thomas Hacker, Präsident der Thomas-Dehler-StiftungThomas-Dehler-Stiftung

Der ARD Sonderkorrespondent Bernhard Niebrügge gab in seiner Rede einen detaillierten Einblick über die Menschenrechtslage in der Türkei. Menschenrechtsorganisationen und zivilgesellschaftliche Akteure beklagen systematische Repressionen, Behinderung ihrer Arbeit und Verfolgung. Niebrügge appelierte, dass „die Kriminalisierung von Menschen, die sich für Frieden, Toleranz, Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzen, aufhören müssen.“ Besonders hob Niebrügge die Arbeit der Media and Law Studies Association (MLSA) hervor, dessen Co-Direktor Veysel Ok ist. In ihrer letzten Studie stellte die MLSA fest, dass in 90 untersuchten Gerichtsverhandlungen in 10 türkischen Städten Verstöße gegen die Menschenrechte zu verzeichnen waren. Niebrügge betonte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte intensiver die Beschwerden von türkischen Bürgern anhören müsse. „Politik, Gesellschaft und jeder Einzelne müssen die mutigen Verfechter der Menschenrechte mit Solidarität, Anerkennung und auch Geld unterstützen“, so Niebrügge. „Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat dies bis heute – auch Dank des Büros in Istanbul – vorbildlich getan“.

Bernhard Niebrügge
Bernhard NiebrüggeThomas-Dehler-Stiftung

In ihrer Laudatio würdigte die Vizepräsidentin der Thomas-Dehler-Stiftung, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, den Einsatz Veysel Oks in einer „von Willkür und weitgehender Rechtlosigkeit geprägten Politik des allmächtigen Präsidenten Erdogan“. Ok arbeite als Rechtsanwalt „nicht für die Herrschenden, sondern für die in ihren Rechten verletzten, ihrer Existenz teilweise beraubten Menschen.“ Weltweit würden sich Regierungen von den Errungenschaften der Demokratie und Menschenrechte abwenden oder sie so interpretieren, wie es zur eigenen Tagespolitik passt, so Leutheusser-Schnarrenberger. Hautnah erlebe man das derzeit in der Türkei, wo sich seit dem Putschversuch 2016 die Situation der Meinungs- und Pressefreiheit verschlimmert hat und die menschrechtliche Entwicklung verheerend ist. Veysel Ok, der „Risse in die fein getünchte Rechtsstaatsfassade“ bringt, lässt sich, obwohl er derzeit selbst unter Anklage steht, in seiner Arbeit nicht beirren: „Es scheint, dass eine derartige Bedrohung Veysel Ok nicht einschüchtert, sondern sogar motiviert weiter zu machen. Unentwegt setzt er sich für seine Klienten ein und verteidigt sie“, betont Leutheusser-Schnarrenberger.

Laudatorin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

„Die Würde beschreibt was uns ausmacht: unser Menschsein, unsere Individualität, unsere Persönlichkeit.“ 

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Der Preisträger Veysel Ok verdeutlichte in seiner Rede die schwierige Situation türkischer Anwälte und all jener, die sich in der Türkei für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen. In der republikanischen Geschichte der Türken seien Anwälte, Journalisten und Schriftsteller nie frei gewesen: „Klagen und Haftstrafen waren schon immer Waffen, die der türkische Staat gegen Anwälte und Journalisten einsetzte.“ Trotz allen Pessimismus erinnerte Ok an diejenigen „Anwälte, Journalisten und Wissenschaftler, die weiterhin sagen, was sie für richtig halten und sich dem System widersetzen“. Veysel Ok widmete den Preis stellvertretend „allen anderen Anwälten, die derzeit wegen der Ausübung ihre Arbeit und der Verteidigung ihrer Mandanten in der Türkei inhaftiert sind, sowie allen Schriftstellern und Aktivisten, die wegen der Äußerung ihrer Ideen im Gefängnis sitzen. „Es macht mich unglaublich stolz, diese Auszeichnung an einem so bedeutsamen Tag [Anmerkung: Der 5. April ist in der Türkei der Tag des Anwalts] zu erhalten, zumal sie im Namen von Thomas Dehler, dem ersten Justizminister der Bundesrepublik Deutschland und einer hoch angesehene Persönlichkeit, die viel zum deutschen Staatsrecht beigetragen hat, verliehen wird.“

Preisträger Veysel Ok
Preisträger Veysel OkThomas-Dehler-Stiftung

In Ihrem Schlusswort dankte die Europaabgeordnete und Mitglied im Vorstand der Thomas-Dehler-Stiftung Nadja Hirsch Veysel Ok für seinen Mut und sein Engagement und erinnerte daran, dass Freiheitsrechte untrennbar mit der Europäischen Union verknüpft seien und elementarer Teil des gesellschaftlichen Selbstverständnisses sind. „Menschenrechte und Demokratie sind nicht verhandelbar“, verdeutlicht Hirsch. Die Europäische Union ist eine Werteunion und unterstützt daher die Zivilgesellschaft in der Türkei bei der Verteidigung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten. Hirsch betont, dass sie als Abgeordnete und Mitglied des gemischten EU-Türkei Ausschusses, Wert auf den Dialog mit den türkischen Abgeordneten lege – nur im Austausch kann Verständnis aufgebaut werden – allerdings ohne dabei eigenen Werte zur Verhandlungsmasse werden zu lassen.