61. Münchner Sicherheitskonferenz 2025: Europas Moment der Entscheidung

Politische und militärische Entscheidungsträger versammelten sich letztes Wochenende in der bayerischen Landeshauptstadt für die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), bei der ein Treffen unter hohem Druck erwartet wurde. Trotz dieser Erwartungen sandte die Konferenz, die am Wochenende traditionell im Hotel Bayerischer Hof stattfand, Schockwellen durch Europa. Die Konferenz sollte sich eigentlich um die zu niedrigen europäischen Verteidigungsausgaben sowie die anstehenden Friedensverhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine drehen, doch letztlich war die gesamte Aufmerksamkeit auf den Riss gerichtet, der vor der versammelten Welt öffentlich wurde.
Der Weg nach München
Vor dem Beginn der Konferenz gab es bereits deutliche Signale von Repräsentanten der amerikanischen Seite über die sich verändernden Beziehungen mit Europa. Den Anfang machte U.S. Vizepräsident JD Vance bei seinem Besuch des KI-Handlungsgipfels in Paris am vergangenen Dienstag und warnte die EU vor zu harten Regulationen der Tech-Branche. Als nächstes folgte U.S. Verteidigungsminister Pete Hegseth, der am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel am Treffen der NATO Verteidigungsminister und der Ramstein Kontaktgruppe teilnahm, die für die Koordinierung der militärischen Unterstützung der Ukraine innerhalb der Allianz zuständig ist. Zu Beginn seines Besuches wurde bekannt, dass U.S. Präsident Donald Trump mit Wladimir Putin gesprochen hat und die beiden ein Einverständnis über die Aufnahme von Friedensverhandlungen ohne europäische oder ukrainische Beteiligung erzielt haben. Hegseth vervollständigte diese höchst kontroverse Aktion mit der Ablehnung eines möglichen NATO-Beitritts der Ukraine und einer Rückkehr zu den Grenzen von vor 2014 „als unrealistisches Ziel“. Dadurch gab Hegseth zwei ukrainische Kernanliegen bereits vor dem Beginn der Verhandlungen auf, wodurch er die westliche Verhandlungsposition entscheidend geschwächt hat, bevor diese überhaupt begonnen haben.
Eine Woche an spaltenden Aussagen durch die neue U.S. Regierung gipfelte dann in einer diplomatischen Ohrfeige in München durch U.S. Vizepräsident JD Vance. In seiner Rede brach er diplomatische Normen, indem er sich in die Innenpolitik von Deutschland kurz vor der Wahl einmischte, durch Anschuldigungen der Zensur der Meinungsfreiheit durch europäische politische Entscheidungsträger und deren Außerachtlassung von Wählerbedenken in Bezug auf Migration. Wiederholt stellte Vance in Frage, ob die USA und Europa noch die gleichen Ziele und Werte vertreten, was zunächst zu geschockter Stille im Saal führte. Niemals zuvor hatte eine amerikanische Regierung so offen auf europäischer Bühne die Innenpolitik der Europäer kritisiert.
Die europäische Antwort
Die Rede des U.S. Vizepräsidenten blieb nicht unbeantwortet, da mehrere europäische Politiker sofort von ihren vorbereiteten Reden abwichen, um das Gesagte zurückzuweisen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius war einer der Ersten, indem er den Vergleich der Bedingungen in Europa mit den Bedingungen in autoritären Staaten durch Vance als „inakzeptabel“ bezeichnete. Die Hohe Repräsentantin der EU Kaja Kallas, die im Vorhinein vor einer Appeasement-Politik gegenüber Russland gewarnt hatte, kommentierte die Rede mit den Worten, dass die USA „versuchen in einen Kampf zu gelangen und wir keinen Kampf mit unseren Freunden möchten“. Die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach von einem „Riss in den transatlantischen Beziehungen“ und davon das „unsere liberale Welt auf das Äußerste bedroht“ ist. In weiten Kreisen wurde anerkannt, dass die amerikanischen Kommentare über den Zustand der europäischen Demokratien unangemessen und beunruhigend waren.
Das diesjährige Thema des MSC-Berichts war Multipolarisierung, aber wenige hatten erwartet, dass die Spannungen in den transatlantischen Beziehungen das bestimmende Thema sein würden. Dennoch bleibt es im Angesicht vieler gemeinsamer Feinde der Wunsch der europäischen Seite, dass die transatlantischen Beziehungen stark bleiben, weil Europa aktuell nicht in der Lage ist, seine Sicherheitsinteressen eigenständig zu vertreten.
Am Rande der MSC fanden in München auch vier Veranstaltungen der Thomas-Dehler-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kooperation mit verschiedenen Partnern statt, die sich um den Krieg in der Ukraine, hybride Kriegsführung, das technologische Wettrennen in der Verteidigungsindustrie sowie die Rolle von Kultur als Widerstandsfaktor drehten. Es herrschte ein breiter Konsens, dass eine starke NATO, widerstandsfähige Beziehungen mit der EU und eine freie Ukraine als Schlüsselfaktoren für die Sicherheit der westlichen Welt gelten. Mit Russland gibt es aktuell keine Möglichkeit zu einer Rückkehr zu früheren politischen Beziehungen und die Aufrechterhaltung der Sanktionen ist solange notwendig, solange Russland ukrainisches Territorium besetzt behält. Es bleibt die große Frage bestehen, wie Europa auf den neuen Kurs aus Washington reagiert.
Zeit zu handeln
Eine Sache ist sicher. Die neue Trump Regierung hat mit ihrer Nachricht von Friedensverhandlungen mit Russland einen wunden Punkt der Europäer getroffen. Nach der Rede von JD Vance hat die Hohe Repräsentantin der EU Kallas ein sofortiges Treffen der anwesenden EU-Außenminister in München einberufen, um über die neuesten Entwicklungen zu beratschlagen, welches noch am Sonntag stattfand. Dem folgte am Montag ein Notfall-Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Paris, um über regionale Sicherheitsbedenken und über den Wandel der U.S. Prioritäten im Ukrainekrieg zu diskutieren. In einem Akt der europäischen Geschlossenheit nahm ebenfalls der Premierminister von Großbritannien, Keir Starmer, an dem Treffen teil.
Auch wenn die europäischen Anführer in ihrem Ärger und ihrer schnellen Zusammenkunft geeint waren, bleibt die Frage bestehen, ob sie endlich die Initiative übernehmen. Kurzfristig sollte Europa die Signale verstehen und gemeinsam handeln. Die U.S. Forderungen nach einer stärkeren europäischen Rolle in seiner eigenen Sicherheitspolitik sind nicht neu und sie sind auch nicht überraschend. Dennoch findet sich Europa mit einer neuen Realität konfrontiert, in der es noch nicht in der Lage ist, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Dieses Mal waren die Signale unverblümter denn je und die Europäer können sie nicht länger ignorieren.
Zur gleichen Zeit müssen die Europäer und die Ukraine auf ihren Platz am Verhandlungstisch drängen. Um das zu erreichen, sollte ein starker Fokus auf die Sicherheitsgarantien gelegt werden. Der Parteichef der ukrainischen liberalen Golos Party und Parlamentarier Kira Rudik sagte dazu, dass es der einzige Weg ist, um echten Frieden zu gewährleisten. Auf der TDS/FNF-Veranstaltung „Westliche Strategie für die Ukraine: Wege aus dem Krieg“ in München bestand Einigkeit darüber, dass die ukrainische Unabhängigkeit als nichtverhandelbar gilt, was die territoriale Integrität, eine unabhängige Außenpolitik und das Recht zur Selbstverteidigung bedeutet.
Langfristig muss Europa den Aufbau seiner Verteidigungsfähigkeiten beschleunigen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte auf der MSC an, dass sich auf deutsche Initiative hin die Verteidigungsminister von Frankreich, Polen, Italien und Großbritannien bei dem Treffen der NATO Verteidigungsminister auf die Entwicklung eines konkreten Fähigkeitsfahrplans geeinigt haben, um einen zeitlichen Rahmen für die Entwicklung militärischer Fähigkeiten zu haben. Dieser soll anschließend mit den USA besprochen werden. Den Wert dieser Initiative werden wir kennen, sobald der Fahrplan veröffentlicht wurde, aber vergleichbare Initiativen werden auch für die Finanzierung der Verteidigung sowie die Entwicklung entsprechender gemeinsamer Verteidigungsstrukturen benötigt werden. Um einen Platz am Tisch zu erwarten, muss Europa die Signale von Washington verstehen, interne Differenzen beilegen, um geschlossen die europäischen Interessen vertreten zu können, und mit entsprechendem Nachdruck sofort zu handeln.