Die Ukraine hat die Chance, den Krieg zu gewinnen

Nachricht14.12.2022Thomas Nagel
Krieg in Europa
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

„Die Ukraine hat die Chance, den Krieg zu gewinnen, was immer gewinnen heißt.“ Diese Ansicht vertrat Dr. Jana Puglierin im Webtalk „Der russische Überfall auf die Ukraine – erste Bilanz und Perspektiven“ am 14. Dezember. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe „Fokus Sicherheitspolitik“ statt, die bereits seit eineinhalb Jahren von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Thomas-Dehler-Stiftung in Kooperation mit der Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen der Universität Regensburg durchgeführt wird. Prof. Dr. Stephan Bierling, Inhaber der Professur, ging mit Jana Puglierin ins Gespräch.

Prof. Dr. Stephan Bierling im Webtalk mit Dr. Jana Puglierin
Prof. Dr. Stephan Bierling im Webtalk mit Dr. Jana PuglierinThomas-Dehler-Stiftung

„Die Ukraine kämpft für uns einen Kampf“, ist sich Jana Puglierin sicher. Positiv bewertete sie, dass die Europäische Union bereits zwei Tage nach Kriegsbeginn Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht habe. Beeindruckt sei sie von der unbürokratischen Aufnahme der Flüchtlinge und der gemeinsamen Linie im Umgang mit Ungarn. „Für mich zeigt sich die Europäische Union mit einer starken Kommissionspräsidentin sehr geschlossen.“ Die Nato sehe sie gestärkt, Schweden und Finnland als künftige Mitglieder seien potente Staaten, von denen Europa auch in Bezug auf Resilienz der Gesellschaft viel lernen könne. Und die Ostsee sei ein NATO-Meer. Dies alles ermutige sie.

Für Stephan Bierling ist klar, dass Putin den Überlebenswillen der Ukraine unterschätzt hat. Putin habe gehofft, Europa und die USA gegeneinander ausspielen zu können. In dieser Einschätzung habe sich Putin getäuscht. Stattdessen hätte Europa weitgehend geschlossen Freiheitsliebe und moralische Stärke demonstriert.

Kritisch sah Jana Puglierin aber gewisse Erschöpfungszustände, selbst in den USA. Der Kampfesmut der Ukraine sei unglaublich, aber sie brauche die Unterstützung des Westens auch weiterhin. „Die Ukraine kämpft bis zur letzten Großmutter. Putin will diesen Widerstand brechen und eine neue Flüchtlingswelle lostreten.“ Aus Sicht von Stephan Bierling werde es auf eine Schlacht des Willens hinauslaufen. „Die ukrainische Widerstandskraft hat Putin völlig falsch eingeschätzt“, analysierte Bierling.

Wenig Optimismus hat Jana Puglierin, wenn es um die Frage nach einem baldigen Regimewechsel in Russland geht. Die Frage sei auch, von wem der Umsturz kommen könne. Wenn es zu einer Palastrevolution komme, dann eher von politisch rechten Kräften. „Ich glaube, wir müssen uns auf eine dauerhafte Konfrontation mit Russland einstellen“, wagte sie die Prognose. Mit Blick auf die Ukraine müsse es das Ziel sein, die Widerstandsfähigkeit des Landes und damit des Westens zu stärken.

Der russische Überfall auf die Ukraine - erste Bilanz und Perspektiven

Zur Person:

Dr. Jana Puglierin ist Senior Policy Fellow des European Council on Foreign Relations und Leiterin seines Berliner Büros. Sie ist eine der besten Kennerinnen westlicher Sicherheitspolitik und in allen Politik-Talkshows dank ihrer fundierten Einschätzungen ein gefragter Gast.

Zur Veranstaltungsreihe:

Die Reihe „Fokus Sicherheitspolitik“ nimmt jeden Monat aktuelle internationale Konflikte in den Blick und erörtert ihre Bedeutung für Deutschland und Europa. Militärstrategische Fragen wurden hierzulande lange Zeit öffentlich kaum diskutiert, erst im Zuge des Krieges in der Ukraine hat sich das geändert. Dabei beobachten die Länder der Nato, der EU und die übrigen Staaten Europas aufmerksam, wie sich Berlin positioniert. Fast alle wünschen eine stärkere Rolle der Bundesrepublik. Gerade jetzt, während der größten globalen Herausforderungen der vergangenen drei Jahrzehnte, bedarf es einer klaren sicherheitspolitischen Vision des bevölkerungsreichsten und ökonomisch stärksten EU-Mitglieds.

Die Gastgeber sind Prof. Dr. Stephan Bierling und PD Dr. Gerlinde Groitl. Im Wechsel diskutieren sie mit Expertinnen und Experten zentrale Herausforderungen für die Bundesrepublik und beleuchten die vielfältigen Verflechtungen deutscher Sicherheitspolitik sowie die häufig gegensätzlichen Interessen der innenpolitischen Akteure.